Naturwacht
Sehr geehrter Herr Dr. Nittmann,
ich habe gerade ihre Homepage entdeckt und erlaube mir ein Paar Gedanken
aus meiner Erfahrung zu äußern.
Mein Großvater war Berufsjäger, Forstinspektor und Jagdprüfer. Daher
habe ich in meiner Kindheit und Jugend wohl mehr Stunden auf Hochsitz
und Pirsch verbracht als so mancher Hobbyjäger. Ich selbst habe in
diesem Leben noch kein höheres Tier getötet. Tötungslust konnte ich auch
bei meinem Großvater nie wahrnehmen. Er war im Krieg an der Ostfront. Da
wurde wohl sein "Bedarf" an dergleichen Erlebnissen gestillt. Er hat mir
auch beigebracht, dass es nun wirklich nichts heldenhaftes ist, ein
Wildtier aufzustöbern und zu schießen.
Ich selbst habe die Jagdprüfung nie gemacht, würde sie aber jederzeit
bestehen. Ich bin lieber seit Jahren in der steirischen Berg- und
Naturwacht tätig. Das erscheint mir sinnvoller. Ich streife also
regelmäßig (wie ein echter Jäger) durchs Revier (Einsatzgebiet). Meine
Beute sind Müll, Standorte seltener Pflanzen, Nistkästen und Menschen
die etwas über die Natur vor Ort erfahren wollen. Natürlich jage ich
auch illegale Pflanzensammler und Schlangenfänger. Aus diesem Grunde bin
ich wie ein Jäger in Tarnkleidung unterwegs, einfach weil ich auf
Kommando für Menschen unsichtbar sein will. Allein schon diese Kleidung
verunsichert die Jäger im Gebiet. Da ich aber keine Waffe trage und
natürlich bekannt bin werde ich nicht als Wilderer angesehen. Die mir
bekannten Jäger haben durch die Bank von Ökologie wenig Ahnung.
Nichtjagbares Wild oder gar die Fauna interessieren wenig. Mit
erschrecken musste ich auch feststellen, dass die Einschätzung des
Wildbestandes auf reinen Vermutungen basiert. Ich habe von meinem
Großvater gelernt wie man den Wildbestand richtig einschätzt. Das dauert
entsprechend lange und ist viel Arbeit. Viele der Böcke werden oft zwei
oder mehrmals gezählt, weil die zählenden Jäger die Merkmale der Böcke
bis zum nächsten Ansitz wieder vergessen haben. Darüberhinaus können
alle Tiere sehr genau wahrnehmen wer da durch die Gegend läuft oder
fährt. Ich persönlich kann mich auf wenige Meter einem Reh nähern. Das
Tier weiß, dass ich nicht töten will. Es passiert mir öfter, dass ich
gewissen Rudeln begegne und der Revierjäger ein paar Minuten später
vergeblich auf Anblick wartet. Das gleiche passiert mit den
Wildschweinen. Während ich recht nah heran gehen darf, verschwinden die
Tiere sofort wenn sie das Motorengeräusch des Autos des Revierjägers
hören. Lustigerweise bleiben sie stehen wenn ein anderes Auto gleichen
Fabrikats vorbei fährt! Wildtiere wissen also genau was in ihrem Habitat
vor sich geht. Klar, die wohnen ja auch dort.
Nach meinem dafürhalten könnte man die Jagd, wie sie im Moment ausgeübt
wird, ersatzlos streichen. Wildbret für den Verzehr und Lederproduktion
kommen ohnehin in besserer Qualität aus bestehenden Wildgattern. Da kann
man auch echte Arbeitsplätze generieren.
Man sollte lieber statt der Hobbyjäger eine professionelle Naturaufsicht
einsetzen die sich um die Einsatzgebiete hauptberuflich kümmert. Und
zwar sollte das Aufgabengebiet alle Belange (gesamte Flora und Fauna,
Gewässeraufsicht, Baurecht, Geländefahrzeuggesetz ect.) umfassen.
Natürlich würde auch das gesamte jagdbare Wild darunter fallen. Und wenn
es tatsächlich nötig würde (z.B. im Falle von Tierseuchen) sollten dann
auch einzelne Abschüße getätigt werden.
Bei meinen Einsätzen komme ich regelmäßig mit Wanderern ins Gespräch.
Und immer erfahre ich große Akzeptanz, weil da plötzlich jemand vor Ort
ist den man ansprechen kann und der auch zu fast allen Fragen eine
fundierte Antwort weiß. Gerade Touristen sind davon begeistert.
Ich fürchte allerdings, dass in Österreich kein Politiker ein Ohr oder
gar Geld für solche Ideen übrig hätte. Aber vielleicht ändert sich das
ja, wenn man draufkommt dass die Subventionen für Schneekanonen besser
in Naturschutzprojekte geflossen wären.
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachten und ein erfolgreiches Jahr
2013.
Mit freundlichen Grüßen
K.
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