blick.ch vom 09.02.2016
«Umwelthüter» statt Jäger -
Tierschützer wollen Jagd verbieten
Tessin -
In Genf gilt für Privatjäger ein Jagdverbot. Stattdessen kümmern sich
staatliche «Umwelthüter» um das Wildtier-Management. Für dieses Modell
lobbyieren nun auch Tierschützer.
An der Anti-Jagd-Front ist etwas im Busch: Jagdgegner planen nämlich
neue jagdkritische Volksinitiativen. Unter anderem sollen nach dem
Vorbild des Kantons Genf Jagdverbote eingeführt werden. Das bestätigt
der Tessiner Tierschützer Carl Sonnthal gegenüber BLICK: «Wir starten
sobald als möglich. Unser Ziel ist mehr Tierschutz.» Noch sei aber
offen, ob man kantonale Volksinitiativen oder gleich eine eidgenössische
Initiative lancieren werde.
In Genf gilt seit 1974 ein Jagdverbot für unprofessionelle Jäger. An
deren Stelle übernehmen aktuell rund zehn staatliche «Umwelthüter» nicht
nur das Wildtier-Management, sondern auch die Betreuung der
Naturreservate und die Überwachung der Fischerei.
Per Abschuss reguliert werden in Genf vor allem die
Wildschwein-Bestände. So wurden 2014 gemäss eidgenössischer
Jagdstatistik 176 Wildschweine, zehn Füchse und ein Reh geschossen.
Zudem dürfen Bauern zur Vergrämung Krähen schiessen, allerdings nur auf
den Feldern. «Das Beispiel Genf beweist, dass es – auch in der dicht
besiedelten Kulturlandschaft – ohne Jäger geht», so Sonnthal.
Genfer Jagdverbot «lokal erfolgreich»
Seit der Mitte der 1970er-Jahre habe sich die wilde Fauna in Genf massiv
verbessert, erklärte der kantonale Fauna-Inspektor Gottlieb Dändliker
kürzlich an einer Fachtagung. Das liege zwar nicht allein am Jagdverbot,
aber: «Das Jagdverbot hat aus ökologischer Sicht eine positive
Entwicklung unterstützt.»
Dändliker macht aber klar: «Dass das Genfer Jagdverbot lokal als
erfolgreich bezeichnet werden kann, heisst aber noch nicht, dass es ohne
weiteres exportierbar ist.» Jede Gemeinschaft müsse selber «seine besten
Lösungen finden».
Für Genf als Stadtkanton sei es jedenfalls eine günstige Lösung, koste
das ganze Wildmanagement doch nur rund 1,2 Millionen Franken pro Jahr.
«Das ist billiger als eine Tasse Kaffee pro Genfer Einwohner.» Aber jede
Gemeinschaft müsse für sich selbst «seine besten Lösungen finden, zum
Wohl seiner Bevölkerung und seiner Natur».
«Ohne Jagd geht es nicht»
Das Genfer Modell funktioniere in einem urban geprägten Kleinstkanton,
räumt David Clavadetscher vom Verband Jagd Schweiz ein. «Das Beispiel
zeigt aber auch, dass es ganz ohne Jagd nicht geht.» Das Modell lasse
sich jedenfalls nicht auf die ganze Schweiz ausweiten.
«In der Schweiz gibt es rund 26'000 private Jäger. Die Kosten für den
Staat wären immens, wenn deren Aufgabe von staatlichen Jägern übernommen
werden müssten.» Der Staat verdiene sogar an den Jägern, dass diese
«ihre Arbeit nicht nur gratis machen, sondern auch noch dafür bezahlen».
Es mache keinen Sinn, an den bewährten Modellen in den Kantonen
irgendetwas zu verändern.
Sonnthal sieht das anders: «Es ist sehr beschämend – eine Unkultur –
dass Kantonsbehörden zum Spass für die Jäger attraktive Jagden
organisieren wie die Trophäenjagd, und über derartiges Blutgeld
Einnahmen generieren.»
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