Ein
Kanton in der Schweiz zieht Bilanz:
40 Jahre ohne Jagd
Vor
40 Jahren wurde im Kanton Genf die Jagd per Volksentscheid abgeschafft.
Viele Gebiete in Genf sind bald zu einem Refugium für Hasen, Füchse,
Dachse, Biber und etliche bedrohte Kleintierarten geworden. Nicht zuletzt
auch durch die Errichtung von Hecken, die einzelne Gebiete verbinden, so
dass sich die Tiere im Schutze dieser Biotope fortbewegen können.
Besonders der Hase - vor dem Jagdverbot vom Aussterben bedroht - erfreut
sich längst stabiler Populationen.
Der
Hirsch kehrt zurück
Im jagdfreien Genf erobert sich inzwischen auch der Hirsch sein Gebiet zurück.
Er ist allerdings anderen Gefahren ausgesetzt: dem komfortablen Straßennetz
und damit größerer Verkehrsdichte. Das erschwert seine Wanderungen beträchtlich,
läuft er doch Gefahr, im Winter, wenn er sich zunehmend dem Unterland nähert,
im Verkehr umzukommen.
Auch hier hat der Aufruf der kantonalen Behörden ohne Zweifel seine
Wirkung: »Haltet die Geschwindigkeitsbegrenzungen in Waldgebieten ein,
auch auf geraden Strecken und vor allem nachts. Eine Kollision mit einem
Hirsch kann sowohl für das Tier, wie auch für den Fahrer fatale Folgen
haben.«
Wildschein:
Symbol für »Natur pur«
Auf einem Spaziergang durch einen Wald nahe der Stadt Genf findet man den
folgenden Hinweis: »Liebe Spaziergänger, Wildschweine sind nicht gefährlich.
Stört sie nicht im Wald, damit sie nicht auf Kulturflächen ausweichen müssen.
Haltet die Hunde an der Leine und bleibt auf den Wegen!«
Die Genfer nennen »ihr« Wildschwein ein Symbol für »Natur pur«. Die
positive Haltung den Wildschweinen gegenüber mag einen vielleicht
erstaunen, da der winzige Kanton der Schweiz zur Hauptsache aus städtischem
und urbanisiertem Gebiet besteht (282 km², 390.000 Einwohner).
Jagd
in Frankreich: Die Tiere schwimmen über die Rhone
Dem borstigen Tier scheint es im Kanton Genf vor allem während der
Jagdsaison in Frankreich zu gefallen. Denn da schwimmen die Wildschweine
über die Rhone in das jagdfreie Genf. Dazu ist folgendes festzuhalten -
und das gilt nicht nur für den Kanton Genf: Von Natur aus bleiben
Wildschweine ihrem Revier sehr lange treu. Zitat aus »Infodienst
Wildbiologie & Ökologie« des BUWAL (Bundesamt für Umwelt, Wald und
Landschaft): »Jede Rotte besitzt ein eigenes, gegen benachbarte Rotten
verteidigtes Revier, dem sie in der Regel lange treu bleibt. Wo
Wildschweine ungestört leben, sind sie vorwiegend tagaktiv, können
jedoch völlig auf ein Nachtleben umstellen.« Die Jagd in Frankreich
zwingt also die Tiere, ihr Revier zu verlassen und nach Genf auszuweichen.
In dieser Zeit kann es örtlich zu größeren Belastungen kommen, da die
Tiere ja etwas essen müssen. Sobald jedoch Europa jagdfrei ist, brauchen
sich die Tiere nicht mehr in zu kleine Räume zu flüchten - und die so
genannten »Schäden« kämen auf ein so kleines Minimum zu stehen, dass
man sie statistisch vernachlässigen könnte.
Die
kantonalen Naturschützer aus Genf haben sich mit den betroffenen Bauern
sowie Jägern aus dem benachbarten Frankreich zusammengetan, um nach Lösungen
zu suchen: Wie kann man die Schäden in Grenzen halten und der
Landwirtschaft gerecht werden? Keine leichte Aufgabe, wenn man den Teufel
einlädt, eine Strategie gegen den Belzebub zu entwickeln. Jäger und
Bauern sind noch nie die Gesprächspartner für echten Tierschutz gewesen.
So werden die ca. 350.000 Euro, welche der Kanton derzeit jährlich
ausgibt für Schutzmaßnahmen - wie Umzäunungen von besonders betroffenen
Kulturgebieten sowie Wildfütterungen, welche die Tiere von Kulturgebieten
fernhalten sollen - gerade aus den Kreisen der Jäger als unnütz und überhöht
verschrien. Inzwischen reduzieren sich die Kosten kontinuierlich. Genf ist
ein Weinbau-Kanton. Weinbaugebiete verschieben sich kaum, Umzäunungen
sind daher einmalige Ausgaben und benötigen weiterhin nur jährliche
Wartung. Wenn der Schutz der Weinberge konsequent umgesetzt und die
Buntbrachen bewusst an die Waldränder angrenzen würden, hätte man das
aufzuwendende Geld schon längst erheblich reduzieren können.
Zum Glück stehen die kantonalen Behörden auf dem Standpunkt: »Es ist
nicht unser Ziel, das Wildschwein zu vertreiben oder gar auszulöschen -
denn es gehört zum Bild unseres Gebietes dazu, und die Bürger sollen
auch weiterhin die Gelegenheit haben, diese Tiere beobachten zu können.«
Genf:
Vorbild für andere Kantone
Der Kanton Genf ist zu einem Vorbild für andere Kantone geworden.
Allerdings werden noch so genannte Hegeabschüsse durch staatlich
bestellte Wildhüter der so genannten »police nature« durchgeführt.
Diese Abschüsse führen aber wieder zu einer Vermehrung der Wildschweine
- nicht nur bei den Jagdflüchtlingen aus Frankreich, sondern auch bei den
einheimischen Tieren, da kein Mensch, ob Wildhüter oder Jäger, sicher
ist, wenn er schießt, was er schießt.
Das
Problem der erhöhten Reproduktion jedoch löst man dadurch nicht, im
Gegenteil: Durch die konstante Bedrohung der Tiere und die zusätzliche Fütterung
auch außerhalb der Notzeiten im Winter fördert man die Vermehrung der
Spezies. Denn der Winter hat immer schon für die Auslese bei den Tieren
gesorgt und dafür, dass nur starke und widerstandsfähige Tiere sich
vermehren. Dafür hat die Natur auch aasfressende Tiere parat, um so für
Ordnung in Wald und Flur zu sorgen - es braucht den Menschen als Regulator
keineswegs.
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