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 Wissenschaft contra Jagd - Rehwild 


Mit einer Jagdstrecke von jährlich 250.000 erlegten Rehe führen sie die Liste der Abschussstatistik an.  

Der Umgang mit Rehen ist auf dem ersten Blick je Teilargument der Jägerschaft nachvollziehbar, die meist zu der passenden Jahreszeit gebracht werden. Betrachtet man das Gesamtbild über den Ablauf eines Jahres hinweg und stellt die Jägerargumente der jeweiligen Saison gegenüber ergeben sich klare Widersprüche in sich, die geradezu absurd sind - wenn man die tatsächliche jagdliche Absicht dahinter nicht erkennt: Trophäensucht und die Lust am Töten. 

Hege
Wildverbiss
Bestandsregulierung

Krankheiten / gesunder Wildbestand
Wozu dann jagen?



 Hege
 

Jägerargumentation

Rehe und andere Schalenwildtiere wie Hirsch-, Schwarz-, Muffel- und Damwill sollen in strengen Wintern nicht hungern und nicht verhungern müssen. Die Hege (Fütterung) sei eine wichtige Aufgabe der Jäger und sei als tierliebend einzustufen, weil sie dem Wild helfen würde.

orf.at vom 26.12.2008 

... Nach der Fütterungsaktion von Hubschraubern aus, hat sich das Rehwild wieder etwas erholt. 

... Nachdem Heuballen im Wert von insgesamt 7.000 Euro auch an die entlegensten Stellen aus einem Bundesheerhubschrauber abgeworfen wurden, entspannte sich die Situation.

 

Fakten

Durch die Fütterung von Wild entscheidet man sich für einen künstlichen Eintrag von Energie in den Naturhaushalt. Es wird dadurch die natürliche Kapazität eines Lebensraums stark verändert. Man kann künstlich mehr Wild halten, als es der Lebensraum überhaupt hergeben würde – so wie in einem Kuhstall. Damit arbeitet man aber gegen die Natur. Nach einem strengen Winter hätten durch die Fütterung dann mehr Individuen überlebt. Ist der Wildbestand ohnehin zu hoch, steigen natürlich die Schäden am Wald, die durch Verbeißen, Schälen, Schlagen entstehen. Da kann man durchaus mal eine Zwischenfrage stellen: Wem gehört die Natur, dass man sich herausnimmt, dies in Kauf zu nehmen?
(Ökologischer Jagdverein Bayern (ÖJV) zum Fütterungsaktionismus für Wild in den Bayerischen Alpen, "Natur kennt keine Fütterung", umweltruf.de (Europaticker) vom 21.01.2019)

Die verabreichten Futtermittel stammen aus der Viehhaltung wie Heu, Mais, Silage und anderes mehr. Zusätzlich werden  zur Verbesserung der Mineralstoff- versorgung Salze und als Anreiz zur vermehrten Nahrungsmittelaufnahme und Wirkstoffe zur besseren Geweihbildung mit verabreicht. Zur Prophylaxe gegen Parasiten und Krankheiten werden oft sogar Medikamente beigemischt.
(Dr. Karl-Heinz Loske, "Von der Jagd und den Jägern", 2006, S. 81)

"Erstaunlich ist auch der Nahrungsbedarf. Ein Reh von etwa 20 Kilo Körpermasse frisst täglich zwei bis vier Kilogramm Grünfutter. Den höchsten Nahrungsbedarf gibt es im Frühjahr, im Spätsommer und im Herbst. ...

Während wir Menschen glauben, dass die armen Rehlein im Winter Hunger leiden müssen, hat nun endlich die Wissenschaft das Gegenteil bewiesen.

Seit Jahrmillionen angepasst, schraubt der Organismus auch unserer Rehe den Nahrungsbedarf im Winter dramatisch zurück. Die Reserven, welche sich Rehe im Herbst angefuttert haben, bieten genügend Energie für den Winter. Erst im Frühjahr, wenn Trächtigkeit, Haarwechsel, Geweihwachstum und Aktivitäten der Reviermarkierung beginnen, steigt der Futterbedarf. Unter besten, geschützten Bedingungen können Rehe 20 Jahre alt werden."
(Dr. Helmut Pechlaner, "Tiroler Tageszeitung am Sonntag" vom 10.05.2009)

Der Zoologe Professor Josef Reichholf von der TU München erklärt: "Die Raubtiere haben nie bei uns die Wildbestände nennenswert reguliert. Es waren immer Krankheiten, Winterhärte und der Nahrungsmangel. Und genau die letzteren schaltet der Jäger systematisch aus. Und die Raubtiere hat er auch ausgeschaltet. Die Winterfütterung und die Wildpflege soll ja auch bewirken, dass der Bestand besonders hoch wird. Und das haben die Jäger ja auch erreicht."
(www.swr.de vom 28.05.2009 zur Sendung "Kritik an der Jagd")

"Bei derartigen Hegepraktiken gerät aus dem Blickfeld, dass Wildtiere gar keine Fütterungen brauchen, weil der Winter eine ganz normale Sache ist. ... 
Das Rehwild z. B. kann sogar in Hochlagen der Alpen überwintern und gesunde Rothirsche kommen monatelang ohne Nahrung aus. Wildfütterungen sind also schlicht überflüssig, ja schädlich."
(Dr. Karl-Heinz Loske, "Von der Jagd und den Jägern", 2006, S. 82)

... Kein Kraftfutter während der Jagdzeit
Der Tiroler Forstverein fordert einen Vorrang für die Bäume: Nicht tierzüchterische Kriterien oder besonders beeindruckende Trophäen sollen Vorrang haben, sondern die dringend nötige Verjüngung der Tiroler Wälder.
(orf.at vom 06.05.2011) 

... Auflagen gibt es für die Winterfütterung: So sind in der Überwachungszone keine Maissilage und kein Kraftfutter mehr erlaubt, sondern nur Heu und Silage.
(orf.at vom 18.04.2011)  

 

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 Wildverbiss

 

Jägerargumentation

Der durch Rehwild an nachwachsenden Bäumen versachte Schaden, man spricht von Wildverbiss, steige ständig und wäre durch den zu hohen Wildbestand verursacht. Jäger hätten die Aufgabe den Rehwildbestand durch Bejagung gering zu halten.

„Tiroler Tageszeitung“ vom 13.09.2009 

In den Tiroler Wäldern lebt zu viel Rotwild, in manchen Revieren explodiert der Wildverbiss regelrecht. An den Jägern liegt es jetzt, den Wildbestand auf ein verträgliches Maß zu reduzieren.

... Der Wildverbiss stellt die größte Schadensquelle in den heimischen Wäldern dar. Der vorliegende Waldbericht des Landes zeigt es wieder einmal schonungslos auf: Von allen erhobenen Einflussfaktoren auf die notwendige Verjüngung des Tiroler Waldes bedroht das Wild die Aufforstung am meisten.

 

Fakten

Man weiß, dass das Reh gar kein richtiger Waldbewohner ist, sondern sich unter natürlichen Bedingungen am liebsten auf Fluren und Wiesen aufhält. Der Wald ist jedoch eine wirksame Deckung und bietet vor dem menschlichen Verfolger Schutz. "Zieht sich das Reh tief in den Wald zurück, ist es genau da, wo es nicht sein soll: Dort, wo es gerade in dichten Forsten außer den Fütterungen kaum andere Nahrung findet als die Triebe von Bäumen"
(Thomas Winter, "Jagd - Naturschutz oder Blutsport?", 2003, S. 73)

Das Reh wird durch die Bejagung in den schützenden Wald hineingedrängt, wo es auf Knospen und Baumtrieben stößt, die keinen massiven Verbiss vertragen. Dies führte gemeinsam mit den intensiv gehegten und daher unnatürlich hohen Beständen zur heutigen Verbiss-Schadenssituation.
(Prof. Dr. Josef H. Reichholf, "Feld und Flur", 1990, S. 63 ff.)

"Außerdem bedeutet die starke Bejagung auch, dass die Tiere vermehrt Fluchtverhalten an den Tag legen müssen und so mehr Nahrung brauchen. Fluchtverhalten kostet unheimlich viel Energie, etwa 400% im Vergleich zum Stehen bzw. Äsen. Ohne dem Störfaktor Mensch (der ja weitestgehend aus dem Störfaktor Jäger besteht), können sie sich sogar in hohen Dichten normal und artgerecht ernähren, ohne forstlich oder ökologisch zum Problem zu werden. Denn sie brauchen nicht so viel Energie für nötige und unnötige Fluchten und müssen demnach weniger Nahrung aufnehmen."
(Kurt, S 260 zitiert in Thomas Winter, "Jagd - Naturschutz oder Blutsport?", 2003, S. 74)


Wie man sieht gehen das Thema Hege und Wildverbiss Hand in Hand, jeweils gesteuert durch die Jägerschaft.

Man könnte meinen, dass im Winter ausgewählte Wildtiere wie Rehe bei Jägern großes Mitgefühl erwecken und unbedingt vor dem Hungertod zu bewahren sind. 
(Hier stellt sich die Frage, warum nur bestimmte Tierarten im Winter gefüttert werden. Andere wie Füchse, Dachse oder Marder, die womöglich aus der Jägerlogik auch Hunger leiden, werden hingegen nicht berücksichtigt.) Während der Jagdsaison dreht sich hingegen das Bild: Rehe, die es nun erstaunlicherweise auf einmal in Überzahl gibt, verursachen soviel Schaden durch Wildverbiss, dass deren Bestand dringend durch die Jagd zu reduzieren ist.

Was ist aus den im vorausgegangenen Winter ach so armen Rehen plötzlich passiert, dass sie nun unbedingt erlegt werden müssen?

Das Reh hat im Winter das ARME Tier zu sein, während es in der Jagdsaison ganz schnell zu einem BÖSEN Tier zu mutieren hat, das unbedingt zu erlegen ist, damit es keinen weiteren Schaden an unseren Wäldern verrichtet. 

Offensichtlich fällt niemand auf, dass die eigentlich für die Jagdsaison gewünschte Überzahl an Rehen im Winter regelrecht gezüchtet werden.

 

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 Bestandsregulierung

Jägerargumentation

Mit der Ausrottung der großen Beutegreifer wie Bär, Wolf und Luchs hätte der Mensch die Aufgabe der Bestandsregulierung zu übernehmen. Der Jäger sei somit Ersatz-Beutegreifer und müsse den Rehwildbestand kontrollieren, bevor er überhand näme. Der Jäger würde zum "Spitzenregulator" werden.

 

Fakten

"Es ist wissenschaftlich nicht erwiesen, dass Raubtiere (Beutegreifer) die Populationsgröße ihrer Beutetiere regulieren. Die Episoden von 'Überbevölkerung' und Verbreitung von Krankheiten scheinen vorübergehender Natur und keinesfalls eine zwangsläufige Folge des Fehlens von Beutegreifern."
(Prof. Carlo Consiglio, "Vom Widersinn der Jagd", 2001, S. 61) 

"Als Fazit lässt sich also festhalten, dass Jäger mangels feiner Wahrnehmungsorgane und ihrer eher zufälligen Anwesenheit in den Revieren niemals ein Raubtierersatz sein könnten, selbst wenn sie wollten."
Der Mythos vom Spitzenregulator ist daher nichts anderes als blanker Unsinn.
(Dr. Karl-Heinz Loske, "Von der Jagd und den Jägern", 2006, S. 92)

"Die Raubtiere haben nie bei uns die Wildbestände nennenswert reguliert. Es waren immer Krankheiten, Winterhärte und der Nahrungsmangel. Und genau die letzteren schaltet der Jäger systematisch aus. Und die Raubtiere hat er auch ausgeschaltet. Die Winterfütterung und die Wildpflege soll ja auch bewirken, dass der Bestand besonders hoch wird. Und das haben die Jäger ja auch erreicht.“ 
(
Prof. Dr. Josef Reichholf, swr.de vom 28.5.09)

 

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 Krankheiten / gesunder Wildbestand

Jägerargumentation

Die Jäger würden für einen gesunden Rehwildbestand sorgen indem sie kranke und schwache Tiere erlegen und zusätzlich ihnen unnötig Leid ersparen würden. 

 

Fakten

"Die von den Jägern unbeliebten Beutegreifer haben eine wichtige Aufgabe indem sie bevorzugt alte, schwache, kranke und junge Tiere erbeuten und Aas fressen. Jäger können diese natürliche Selektion nicht ersetzen, da sie wegen der schlechteren Sinnesorgane und der Entfernungen beim Schuss nicht in der Lage sind, dieselben Kriterien anzuwenden wie ein Raubtier." 
(Dr. Karl-Heinz Loske, "Von der Jagd und den Jägern", 2006, S. 94)

"Statt dass der Jäger wie Wolf und Luchs durch gezielte Selektion die genetische Fitness der Beutearten erhält und verbessert, können nun - womöglich mit gezielten Abschuß der prächtigsten Exemplare und einer Veränderung der Altersstruktur -  auch die "unfitten" Tiere ihr Erbgut weitergeben, während gesunde, genetisch wertvolle Individuen wortwörtlich auf der Strecke bleiben."
(Thomas Winter, "Jagd - Naturschutz oder Blutsport?", 2003, S. 107)

Eine Art der Selektion, die die Jäger mit Sicherheit bei den Hirschartigen (Geweihträger), aber auch bei den Rinderartigen (Hornträger) bewirken, richtet sich nach der Größe des Geweihs oder der Hörner. Die Jäger sind nämlich darauf aus, das Exemplar mit dem prächtigsten Geweih zu erlegen, um dann den Kopf präparieren zu lassen und als »Trophäe« an die Wand zu hängen. ... 
Das ist eine vollkommen falsche Selektion."
(Prof. Carlo Consiglio, "Vom Widersinn der Jagd", 2001, S. 60) 

 

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Wozu dann jagen?

... "Wenn immer mehr Wildtiere geschossen werden, weil es immer mehr gibt, müssen dann noch mehr geschossen werden, damit es weniger werden?" Diese provokante Frage stellte der Wiener Zoologe Doz. Dr. Wolfgang Scherzinger bereits 1995 in seinem Buch "Naturschutz im Wald" (Ulmer). Auch bei jeder Jägertagung ist die jährlich höhere - seit langem unnatürliche -  Wilddichte, die für einen Dauerkonflikt zwischen Forst und Jagd sorgt, heftigst diskutiertes Thema.
(ots.at vom 09.11.2010 von VIER PFOTEN)

Der Zoologe Ragnar Kinzelbach von der Universität Rostock ist überzeugt:
„Letztlich dient die Jagd nur dem Spaß und der Befriedigung der Mordlust der Jäger. Die Jagd ist überflüssig. Wenn man sie einstellt, regulieren sich die Bestände von allein.“
("Süddeutsche Zeitung" vom 28.01.2009)


Die Jagd ist heute ein Hobby, ein Freizeitvergnügen – und in ihren Jagdzeitschriften geben die Jäger ihre „Lust am Töten“, die „Freude am Beutemachen“ und den „Kick“ beim Schuss inzwischen offen zu. Ein Jäger hat über dieses Thema sogar seine Doktorarbeit geschrieben - und diese wurde in der Jagdpresse unter der Überschrift „Keine Angst vor der Lust“ (WILD UND HUND 24/2003) entsprechend gefeiert. 
In der Dissertation heißt es ganz offen: „Weltweit wird die Wildjagd unserer Zeit selten noch aus rein praktischen Motiven (z.B. Nahrungsjagd), sondern um eines starken emotionalen Erfolges Willen (der Kick beim Töten des Tieres, Freude, Glück, Zerstreuung, Entspannung, Abenteuer) oft mit großer Leidenschaft und Hingabe betrieben.“ 
(Günter Reinhold Kühnle: Die Jagd als Mechanismus der biotischen und kulturellen Evolution des Menschen, 2003. http://ub-dok.uni-trier.de/diss/diss45/20030120/20030120.htm)

Dieses Hobby-Töten kann die überwiegende Mehrheit der Menschen heute nicht mehr gutheißen. Repräsentative Umfragen der letzten Jahre zeigen
übereinstimmend: 64% der Österreicher und 70-80% der Deutschen stehen der Jagd kritisch gegenüber oder fordern sogar die Abschaffung der Jagd. 
(Quellen: Österr. Gallup-Institut 2007, GEWIS-Institut 1996; GEWIS-Institut 2002; EMNID-Institut 2003, EMNID-Institut 2004)

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