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Der Albtraum eines Jägers
Eine Wahre Geschichte


Ein Chefarzt erzählte mir unlängst von einer außergewöhnlichen Begebenheit mit einem seiner Patienten:

»In unserer Klinik liegt ein krebskranker Mann. Er merkt wohl, dass ihm nicht mehr allzuviel Zeit bleibt. Vor kurzem rief er mich aufs Zimmer. Er sagte, dass er von einem Albtraum verfolgt werde und jede Nacht schweißgebadet aus dem Schlaf aufschrecke. Er habe diesen Traum schon seit Jahren , aber jetzt komme er besonders stark. Es ei immer die gleiche Szene, die er sehe. Er fing an aus seinem Leben zu erzählen:

`Ich war viele Jahre meines Lebens ein passionierter Jäger und verbrachte viel Zeit auf meinen Hochständen, bis mir folgende Geschichte passierte: Es war vor etwa 10 Jahren an einem schönen Frühlingsmorgen. Ich saß auf meinem Hochstand, als plötzlich eine ganze Gruppe Rehe aus dem Dickicht ins Freie kam. Ich sah meine Chance und zielte auf eine Ricke. Sie sank getroffen zu Boden und war wohl sogleich tot. Die anderen Tiere flüchteten sofort in den Wald zurück. Ich war stolz auf meinen Schuss und wie immer sehr aufgeregt. Meine Hände zitterten noch und waren feucht. Auch mein Atem hatte sich noch nicht beruhigt. Also wartete ich ein Weilchen, bevor ich mich aufmachte, vom Hochsitz zu steigen. Doch just, als ich zur Leiter wollte, geschah es:

Ich schaute noch einmal intuitiv zur toten Ricke und bemerkte, wie ein kleines Kitz aus dem Wald lief. Als es seine tote Mutter erblickte, blieb es wie angewurzelt stehen. Dieses Bild traf mich in meinem Herzen. Doch es sollte noch Unglaublicheres passieren. Denn nach und nach kamen auch die anderen Rehe aus dem Wald zurück und versammelten sich um das tote Tier. Das war ja schon ein ungewöhnliches Geschehen! Jedenfalls habe ich sowas noch nie vorher erlebt und auch nicht von etwas Ähnlichem gehört. Ich fragte mich, was die Tiere wohl suchten. Die werden sich doch nicht etwa von der Rehmutter verabschieden wollen? Das gibt es doch nur im Märchen! Obwohl - bei Elefanten hat man eine solche Szene schon einmal gefilmt....

Also beobachtete ich das Geschehen gebannt weiter. Und dann geschah das wirklich Unfassbare: Ein Rehbock schob seine Nase unter das tote Tier und versuchte es anzuheben. Auch andere Tiere taten Ähnliches. Sie versuchten offensichtlich, die tote Ricke wieder auf die Beine zu stellen. Ich saß wie versteinert auf meinem Hochsitz und glaubte zu träumen. Das Gesehene ergriff mich. Ich habe diese Geschichte meinen Jagdkameraden nie erzählt, sie hätten mich sicherlich ausgelacht. Aber ich habe noch am selben Tag meinen Jagdschein zerrissen und mein Gewehr entsorgt. Nur meiner Frau habe ich davon erzählen müssen, als sie meinen inneren Wandel bemerkte. Meinen Jagdkameraden habe ich gesagt, ich würde aus gesundheitlichen Gründen eine Weile aussetzen.

Das ist also die Geschichte, die mich immer noch quält. Denn jede Nacht schrecke ich schweißgebadet hoch und sehe immer dieses Bild, wie die Rehe das von mir totgeschossene Mitglied ihrer Familie wieder zum Leben erwecken wollen. Zu einem Leben, das ich genommen habe und nicht wieder geben kann...«

Quelle: Vegetarisch genießen Nr. 2/04

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