Brief eines Ex-Jägers aus Polen an die deutschen Jäger
Warschau, den 29.4.2007
Liebe Jäger-Freunde in Deutschland,
sehr lange habe ich gezögert, diese Worte zu schreiben, denn ich kann mir
vorstellen wie manch einer von Euch reagieren wird, nachdem er sie gelesen
hat. Ich bitte mir zu glauben, dass ich niemanden verurteilen möchte. Vor
nicht allzu langer Zeit war ich selbst noch ein Jäger und habe mich auch
als jemanden gehalten, der die Natur betreut und gleichzeitig habe ich
gedankenlos unschuldige Geschöpfe ermordet. Genau wie Ihr, liebe Freunde,
lebte ich im Unwissen, irregeführt durch ältere „Jagdkameraden“, die
behaupteten, dass wir Jäger die Größe der Population einer Tierart
regulieren, damit die Tierarten in einem bestimmten Gebiet zusammen leben
könnten, ohne allzu großen Schaden in Flur und Wald anzurichten. Bis
heute kann ich mir nicht erklären, wie ich mich in dieses makabre
Vorgehen hineinziehen lassen konnte.
Als kleines Kind war es für mich unvorstellbar, irgendeinem Geschöpf
Leid zuzufügen. Bis heute kann ich mich erinnern, dass ich mit der ersten
Schleuder, die mir mein Vater bastelte, einen kleinen Vogel erschlug. Ich
habe damals tagelang geweint, die Schleuder zerbrochen und dieses Gerät
nie mehr benutzt.
Als ich heranwuchs, wurde aus mir der junge, starke Mann, der alles konnte
und so ließ ich mich in das Jagdgewerbe hineinziehen. Mehr als zehn Jahre
lang habe ich das intensiv betrieben.
Mit dreißig Jahren erlitt ich einen Unfall, durch den ich meine halbe
kostbare Gesundheit verlor. Bis heute höre ich nichts auf dem rechten
Ohr, habe Probleme mit der Wirbelsäule und werde schnell müde. Eine
zeitlang dachte ich daran, umzukehren, aber dann, als meine Gesundheit
sich wieder besserte, kehrte ich zum alten Leben zurück. Und dann, 20
Jahre nach meinem Unfall, hat mein Bruder, der mir sehr nahe stand,
Selbstmord begangen. Gleichzeitig verlor ich meine Arbeit und die
Grundlage meiner Existenz. Die Angst und geistige Lähmung, die mich
damals befielen, machten mich ratlos und kraftlos. Nach einigen Monaten
eines solchen Dahinvegetierens, wurde mir die Gnade zuteil, dass ich den
einzigen wahren Weg finden konnte, den jeder von uns früher oder später
gehen wird. Ich habe erkannt, dass die Schicksalsschläge, die mich trafen
von mir selbst durch mein Verhalten verursacht wurden.
Dass wir auf diesem Planeten, das unserer Obhut anvertraut wurde, so
schreckliche Dinge tun, ist vielen gar nicht bewusst. Ich weiß aber aus
eigener Erfahrung, dass viele von Euch, die sich Jäger nennen, nicht so
sicher sind, ob wir im Garten unseres Schöpfers so wirtschaften sollten.
Sicherlich meldet sich bei manch einem von euch das Gewissen und sagt ihm,
dass wir Unrecht tun. Niemand sollte sicher sein, dass wir für die Tötung
irgendeines Geschöpfes auf diesem Planeten die Erlaubnis erhalten haben.
Ich habe es gespürt und spüre es noch immer, alles das, was ich in
meinem bisherigen irdischen Leben verursacht habe – aber ich beschuldige
niemanden dafür.
Ich sehe die Leiden meiner Familie und die Leiden derer, mit denen ich
noch vor kurzer Zeit Mord an Tieren beging und ich kann gar nichts tun, außer
dass ich jeden Tag für sie bete. Mein Vater hat Leukämie, mein bester
Freund ist schwer herzkrank, ein anderer Freund hat Parkinson, viele sind
nicht mehr auf dieser Welt, sie sind nach großen Leiden verschieden. Das
sind nur einige Beispiele, über die anderen werde ich gar nicht
erst schreiben. Das Meer der Leiden, die wir mit unseren Taten in dieser
Welt verursachen ist unermesslich.
Ein ehemaliger Jäger aus Polen, dem die Gnade zuteil wurde, dass er aus
dem Meer der Hoffnungslosigkeit herausgefunden hat.
Stanislaw aus Warschau
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